Trinkglas gefüllt mit Wasser

Schätzungsweise rund 17 Prozent aller Schweizer über 40 Jahre sind von Blasenschwäche in unterschiedlichem Ausmass betroffen1. Die Häufigkeit und der Schweregrad nehmen dabei mit zunehmendem Alter zu. Eine Blasenschwäche ist für alle Betroffenen eine grosse Belastung und häufig mit einem Rückzug aus dem sozialen Leben verbunden. Dabei gibt es verschiedene Behandlungsmöglichkeiten. Neben der medikamentösen Therapie tragen vor allem das gleichzeitige Training von Blase und Beckenboden zum Behandlungserfolg bei. Blasentraining hilft, den Harndrang zu kontrollieren und das Fassungsvermögen der Blase zu steigern. Die Patienten gewinnen wieder Vertrauen in ihren Körper und erlangen mehr Selbstsicherheit und Lebensqualität2.

Was genau ist eine Blasenschwäche?

Häufiges Wasserlassen tagsüber, Schlafmangel wegen nächtlichen Toilettengängen oder auch ein überfallartiger Harndrang kennzeichnen das Krankheitsbild. Mediziner sprechen auch von einer überaktiven Blase (overactive bladder, OAB) oder Reizblase. Dabei kommt es bei verschiedenen Arten der Harninkontinenz zu ungewolltem Urinverlust in unterschiedlich grossen Mengen. Dabei wird zwischen Belastungs-, Drang- und Mischinkontinenz unterschieden.

Die Belastungsinkontinenz ist gekennzeichnet durch einen unkontrollierten Harnverlust beim Heben von schweren Gegenständen, aber auch beim Husten oder Lachen. Ursache ist meist eine geschwächte Beckenbodenmuskulatur. Betroffene verspüren keinen ungewohnt starken Harndrang. Eine körperliche Belastung erhöht aber den Druck auf die Blase, wodurch tröpfchenweise Urin abgeht. Bei der Dranginkontinenz verspüren Betroffene einen plötzlich einsetzenden, übermässig starken Harndrang, obwohl die Blase gar nicht komplett gefüllt ist. Der Urin geht häufig auf dem Weg zur Toilette schwallartig ab. Bei der Dranginkontinenz besteht kein Zusammenhang mit einer körperlichen Belastung. Bei der Mischinkontinenz leiden Betroffene gleichzeitig unter Symptomen der Drang- und der Belastungsinkontinenz3.

Bewusst Einfluss nehmen auf die Blase

Die Steuerung der Blase erfolgt hauptsächlich über das vegetative Nervensystem. Patienten mit einer Blasenschwäche können daher die Funktionsfähigkeit ihrer Blase bis zu einem gewissen Grad trainieren. Das Blasentraining setzt Willenskraft und Ausdauer voraus, der Erfolg lässt aber meist nicht lange auf sich warten. Ziel der Therapie ist es, die Wahrnehmung der Körpersignale zu schulen und die Blase kontrolliert zu entleeren. Zudem fasst die Blase wieder grössere Mengen Urin und die tägliche Anzahl der Toilettengänge sinkt meist deutlich4.

Blasentraining: Ein wichtiger Schritt in Richtung normales Leben

Blasentraining hilft, die Kontrolle über die Blase und den Harndrang wiederzuerlangen. Planen Sie hierzu feste Zeiten ein, um auf die Toilette zu gehen. Zu Beginn sollten die Zeitabstände nicht zu gross sein. Wichtig ist, dem Harndrang nicht sofort nachzugeben und den Toilettengang um einige Minuten hinauszuzögern. Zudem ist darauf zu achten, die Blase bei jedem Toilettengang vollständig zu entleeren. Gelingt dies nicht auf Anhieb, helfen ein paar Schritte gehen und ein neuer Versuch. Ein Miktionstagebuch dient der Dokumentation des Therapieverlaufs und zeigt den Behandlungserfolg auf.

 

Beispiel für ein Trainingsprogramm:

  • Das Training beginnt damit, den Toilettengang um 5 Minuten hinauszuzögern.
  • Erhöhen Sie die Zeitspanne bis zum Toilettengang auf 10 Minuten. Nutzen Sie die unten genannten Tipps, um den Toilettengang hinauszuzögern.
  • Die Zeitspanne wird in Schritten weiter erhöht, bis 3 Stunden zwischen den einzelnen Toilettengängen liegen.
     

Stopp dem Kontrollverlust – selbstbestimmt die Blase entleeren

Wer lange Zeit daran gewohnt war, sofort dem Drang der Blase nachzugeben, benötigt jetzt Willenskraft. Diese Gewohnheit gilt es nun zu ändern. Viele Betroffene gehen prophylaktisch zur Toilette, wenn gerade eine zur Verfügung steht. Wird die Blase aber dauerhaft ohne Harndrang und wenig Druck entleert, verschlimmern sich die Beschwerden der Inkontinenz. Der Blase wird das Fehlverhalten antrainiert und sie meldet schon bei einer geringen Urinmenge Harndrang an. Beim Blasentraining erlangen Sie die Kontrolle über die Blase zurück und bestimmen den Gang zur Toilette willentlich.

Tipps, um den Toilettengang hinauszuzögern

  • Beugen Sie sich wie beim Schuhe binden Richtung Boden. Der Harndrang lässt bei einer veränderten Drucksituation auf die Blase nach.
  • Setzten Sie sich hin oder bleiben Sie still stehen. Achten Sie dabei auf eine ruhige Atmung.
  • Spannen Sie den Beckenbogen an und halten Sie die Spannung 20 bis 30 Sekunden. Die Blasenmuskeln entspannen sich und der Harndrang verschwindet.
  • Lenken Sie sich gedanklich ab – freuen Sie sich auf Ihren nächsten Urlaub oder gehen Sie im Kopf die Einkaufsliste durch.
     

Ziel des Blasentrainings

Das Blasentraining ist ein wichtiger Baustein in der Therapie, um die Blasenfunktion wieder zu normalisieren. Das Blasentraining verfolgt folgende Ziele:

  • 2 bis 3 Stunden Pause zwischen den Toilettengängen
  • Einmal Wasserlassen in der Nacht
  • Maximal 7 Toilettengänge tagsüber
  • Kein Urinverlust auf dem Weg zur Toilette
     

Auf das Trinkverhalten achten!

Neben der Anzahl der Toilettengänge ist das Trinkverhalten ein wichtiger Bestandteil beim Blasentraining. Keinesfalls sollten Sie sich dem Irrglauben „weniger Trinken = weniger Harndrang“ hingeben. Eine geringe Flüssigkeitszufuhr hat negative Auswirkungen auf die Blase. In einer reduzierten Urinmenge sammeln sich vermehrt reizende Harnbestandteile, die wiederum die Blasenüberaktivität verstärken.

Tipps für richtiges Trinken

  • Trinken Sie täglich 1 bis 2 Liter Wasser gleichmässig über den Tag verteilt.
  • Reduzieren Sie die Trinkmenge deutlich nach 18.00 Uhr für eine ungestörte Nachtruhe.
  • Gehen Sie direkt vor dem Schlafengehen auf die Toilette.
  • Entscheiden Sie sich bevorzugt für Wasser ohne Kohlensäure, Saftschorle oder Früchte- und Kräutertees.
  • Vermeiden Sie zucker- und süssstoffhaltige Getränke, Alkohol und Kaffee.
     

Das Miktionstagebuch – Begleiter für ein erfolgreiches Training

Das Beobachten und Dokumentieren der Trinkgewohnheiten und Toilettengänge spielen in der Diagnostik und Behandlung eine grosse Rolle. Tragen Sie Ihr persönliches Miktionsprotokoll immer bei sich und dokumentieren Sie jeden Toilettengang. Folgende Angaben sollten Sie mit der entsprechenden Uhrzeit protokollieren:

  • Trinkmenge in Milliliter
  • Urinmenge in Milliliter
  • Harndrang: stark, mittel oder schwach
  • Urinverlust
     

Beckenbodengymnastik – die perfekte Ergänzung zum Blasentraining

Das Blasentraining ist besonders effektiv in Kombination mit Beckenbodengymnastik. Der Beckenboden stützt sowohl bei Frauen wie auch Männern die Organe im Bauchraum und im Becken. Er besteht aus Bindegewebe, Bändern und drei Muskelschichten. Übergewicht, Geburten, chronischer Husten und dauerhaft schweres Heben von Lasten lassen die Muskulatur erschlaffen. Durch gezielte geschlechterspezifische Übungen wird die Muskulatur wieder aufgebaut. Dabei handelt es sich nicht um sportliche Höchstleistungen – Sie sollten aber mindestens 3 Monate konsequent täglich drei Minuten Zeit aufwenden. In Kombination mit dem Blasentraining werden sich die Beschwerden meist bald nachhaltig bessern.

Dieser Artikel basiert auf der Webseite der Schweizerischen Gesellschaft für Blasenschwäche www.inkontinex.ch.

 

Referenzen:

1. Milsom I et al. How widespread are the symptoms of an overactive bladder and how are they managed? A population-based, prevalence study. BJU Int 2001 Jun; 87(9): 760-766.

2. Meissner T. (2017). Bei überaktiver Blase zuerst Verhaltens- und Blasentraining! Abgerufen von https://www.aerztezeitung.de/Medizin/Bei-ueberaktiver-Blase-zuerst-Verhaltens-und-Blasentraining-309884.html

3. Harninkontinenz: Formen & symptome. (o. J.). Gesundheitsportal. Abgerufen von https://www.gesundheit.gv.at/krankheiten/nieren-harnblase/inkontinenz/formen-symptome

4. ans clinic (o. J.) Abgerufen von https://ans-clinic.de/beschwerden/typische-beschwerden/blasenstoerungen

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