Frau sitzend gebeugt Blasenschwäche

Die verschiedenen Formen der Blasenschwäche

 

Bei der Inkontinenz handelt es sich um ein tabuisiertes Leiden, das die betroffenen Menschen stark belastet. Dabei ist Blasenschwäche keine Seltenheit. und die Ursachen sind vielseitig. Rund 500.000 Schweizer leiden an Blasenschwäche unterschiedlichen Ausmasses. Die Scham bei den Patienten ist gross und nur selten wird der Hausarzt eingeweiht. Dabei ist es von grosser Wichtigkeit, die Ursache und die Form der Harninkontinenz genau zu kennen. Mit einer gezielten Therapie lassen sich die Beschwerden mindern.1

 

Was bedeutet Inkontinenz für einen Betroffenen?

 

Eine Blasenschwäche ist geprägt durch häufiges Wasserlassen oder einen überfallartigen Harndrang. Betroffene schaffen es kaum noch zur Toilette und leiden unter einem unterschiedlich stark ausgeprägten unkontrollierten Urinverlust (Inkontinenz). Mediziner sprechen auch von einer überaktiven Blase, dem sogenannten Overactive Bladder-Syndrom (OAB). Eine Inkontinenz ist nicht nur eine körperliche Beeinträchtigung. Patienten leiden enorm unter der psychischen Belastung der Erkrankung und ziehen sich häufig aus dem sozialen Leben zurück. Zögern Sie nicht, Ihren Arzt auf Ihr Leiden anzusprechen. In sehr vielen Fällen gibt es hervorragende Behandlungsmöglichkeiten und Hilfen, um mit den Symptomen im Alltag gut umzugehen2.

 

Welche Formen der Inkontinenz gibt es?

 

Bei der Inkontinenz gibt es unterschiedliche Formen. Die Einteilung erfolgt dabei über die jeweiligen Symptome, die verschiedene Ursachen haben können.

 

Belastungsinkontinenz

Bei der Belastungsinkontinenz führt eine Erhöhung des Drucks im Bauchraum zum plötzlichen Harnverlust. Jede Art von mechanischer Belastung wie Husten, herzhaftes Lachen, aber auch andere körperliche Anstrengungen führen zum willkürlichen Urinabgang. Der Harn geht bei der Belastungsinkontinenz zumeist tröpfchenweise, aber auch schwallweise ab. Bedingt ist diese Form der Inkontinenz durch eine Funktionsschwäche des Harnverschlussapparats. Zu den Hauptursachen zählt die Schwächung des Beckenbodens. Primär bei Frauen ist die Belastungsinkontinenz häufig anzutreffen. Da vor allem eine Entbindung die Beckenbodenmuskulatur schwächen kann, kämpfen bereits junge Frauen mit den Symptomen einer Belastungsinkontinenz3.

 

Unterschiedliche Schweregrade bei der Belastungsinkontinenz

Eine Belastungsinkontinenz wird in 3 Schweregrade eingeteilt, die sich durch bestimmte Symptome auszeichnen:

 

     Grad 1: Abgang von Urin bei schweren körperlichen Anstrengungen wie Niesen, Husten oder Lachen.

     Grad 2: Abgang von Urin bereits bei leichten körperlichen Belastungen wie z. B. Gehen, Aufstehen oder Sitzen

     Grad 3: Abgang von Urin ohne körperliche Anstrengung in Ruhe oder im Liegen4

 

Dranginkontinenz

Bei der Dranginkontinenz verspüren Betroffene einen starken Harndrang und müssen sofort die Toilette aufsuchen. Häufig wird aber die Toilette nicht rechtzeitig erreicht und es kommt zu einem unkontrollierten Harnverlust. Ursache der Dranginkontinenz ist hauptsächlich die ungehemmte Kontraktion der Blasenmuskulatur. In manchen Fällen ist aber auch eine übersteigerte Blasenfunktion für den plötzlichen Harndrang verantwortlich5.

 

Mischinkontinenz

Eine Mischinkontinenz weist sowohl die Symptome einer Belastungs- als auch Dranginkontinenz auf. Betroffene leiden gleichzeitig unter einem Urinverlust bei körperlicher Belastung und einem starken Harndrang.

 

Unbewusste Inkontinenz 

Bei einer unbewussten Inkontinenz wird der Moment des Urinverlusts vom Betroffenen nicht wahrgenommen. Die Patienten verspüren zuvor auch keinen Harndrang. Die unbewusste Inkontinenz wird unterteilt in Reflex- und Überlaufinkontinenz6.

 

Reflexinkontinenz

Ursache der Reflexinkontinenz ist eine nervenbedingte Fehlsteuerung von Harnblase und Schliessmuskel. Betroffene sind nicht in der Lage, den Zeitpunkt der Blasenentleerung willentlich zu steuern. Die Entleerung der Blase erfolgt reflexartig und völlig unvorangekündigt. Dies ist eine enorme psychische Belastung für die Betroffenen.

 

  • Spinale Reflexinkontinenz: Eine Verletzung oder Erkrankung des Rückenmarks ist Ursache der Inkontinenz, z.B. Multiple Sklerose oder Querschnittslähmung.
  • Supraspinale Reflexinkontinenz: Ursachen dieser Inkontinenz sind Leistungsstörungen im Gehirn wie z.B. bei einem Schlaganfall, Parkinson oder Demenz7.

 

Überlaufinkontinenz

Zu den Ursachen gehören eine mangelnde Fähigkeit der Blasenkontraktion oder eine Abflussstörung des Urins aus einer chronisch überdehnten Blase. Betroffene sind nicht in der Lage, ihre Blase vollständig zu entleeren. Dabei führt jeder aus der Niere in die Blase gelangende Harntropfen zum Überlaufen der Blase. Es kommt zu einem unfreiwilligen Harnverlust, der sich durch ständiges Tröpfeln bemerkbar macht8.

 

Je nach Ursache unterscheiden Experten 2 Formen der Überlaufinkontinenz:

  • Obstruktive Überlaufinkontinenz: Abflusshindernisse führen zu einem Harnstau. Dadurch erhöht sich der Druck in der Blase, bis das Hindernis überwunden wird. Dabei geht immer nur eine kleine Harnmenge bei den Betroffenen ab. Bei Frauen ist hauptsächlich eine Absenkung der Gebärmutter verantwortlich, bei Männern eine Vergrösserung der Prostata. Bei beiden Geschlechtern finden sich als Ursachen Harnsteine oder Tumore.

 

  • Funktionelle Überlaufinkontinenz: Die Blasenmuskulatur ist geschwächt und kann sich nicht mehr zum kompletten Entleeren der der Blasen zusammenziehen. Ursachen sind häufig Nervenschädigungen z.B. durch Diabetes mellitus, aber auch Nebenwirkungen von Medikamenten9.

 

Extraurethrale Inkontinenz

Bei dieser Form der Inkontinenz dringt Urin nicht aus der Harnröhre, sondern aus anderen Körperöffnungen wie der Haut, dem Darm oder der Vagina aus. Für Betroffene ist diese Form der Inkontinenz sehr belastend10. Ursache ist meistens eine Fistel, die krankhafte Verbindungskanäle im Körper schafft. Fisteln sind häufig die Folge von Entzündungen, Operationen, aber auch Geburten11. Durch einen operativen Eingriff kann diese Form der Inkontinenz meist vollständig behoben werden.

 

Vorübergehende Inkontinenz

Die vorübergehende Inkontinenz zeigt sich häufig bei älteren Menschen. Ist die Ursache behoben, bessert sich in der Regel auch wieder die Inkontinenz. Aus folgenden Gründen kann es zu einer vorübergehenden Inkontinenz kommen:

  • Eingeschränkte Mobilität z.B. durch einen Sturz
  • Nebenwirkungen von Medikamenten
  • Verwirrtheit
  • Harnwegsinfektionen
  • Schleimhautentzündungen
  • Psychische Erkrankungen
  • Störung des Wasserhaushalts
  • Chronische Verstopfung12

 

Nicht zögern, Arzt fragen: Die Therapiemöglichkeiten sind vielseitig

Wer mit den Symptomen einer Inkontinenz zu kämpfen hat, sollte zur genauen Diagnosestellung seinen Arzt konsultieren. In den allermeisten Fällen ist eine Blasenschwäche gut therapierbar. Die Behandlung stützt sich dabei auf mehrere Säulen: Das Training von Blase und Beckenboden, die Ernährung und die Trinkgewohnheiten sowie die Verabreichung von Medikamenten. Vor allem Patienten mit Drang- und Belastungsinkontinenz gewinnen wieder Vertrauen in den eigenen Körper und die Lebensqualität steigt.

 

Dieser Artikel basiert auf der Webseite der Schweizerischen Gesellschaft für Blasenschwäche www.inkontinex.ch.

Referenzen:

  1. Milsom I, et al. How widespread are the symptoms of an overactive bladder and how are they managed? A population-based, prevalence study. BJU Int 2001;87(9):760–766.
  2. Inkontinex—Schweizerische Gesellschaft für Blasenschwäche. (o. J.). inkontinex. Abgerufen von https://www.inkontinex.ch
  3. Niederstadt, C., Gaber, E., & Füsgen, I. (2007). Harninkontinenz. Robert Koch-Institut. S. 10.
  4. Inkontinenz. (o. J.). Universitätsklinikum Jena. Abgerufen von  https://www.uniklinikum-jena.de/urologie/Informationen+f%C3%BCr+Patienten/Krankheitsbilder/Inkontinenz.html
  5. Niederstadt, C., Gaber, E., & Füsgen, I. (2007). Harninkontinenz. Robert Koch-Institut. S. 10.
  6. Niederstadt, C., Gaber, E., & Füsgen, I. (2007). Harninkontinenz. Robert Koch-Institut. S. 11.
  7. Reflexinkontinenz. (o. J.). Medi-Center. Abgerufen von https://www.medi-center.de/inkontinenz/was-ist-das/harninkontinenz/reflexinkontinenzneurogene-harninkontinenz/
  8. Überlaufinkontinenz—Tröpfchenweiser Urinverlust. (o. J.). Urologie Bad Kissingen. Abgerufen von https://www.urologie-badkissingen.de/35-290-1197-%C3%9Cberlaufinkontinenz.html
  9. Überlaufinkontinenz. (o. J.). Medi-Center. Abgerufen von https://www.medi-center.de/inkontinenz/was-ist-das/harninkontinenz/ueberlaufinkontinenz/
  10. Extraurethrale Inkontinenz. (o. J.). Medi-Center. Abgerufen von https://www.medi-center.de/inkontinenz/was-ist-das/harninkontinenz/extraurethrale-inkontinenz/
  11. Krankheitsbilder - Inkontinenz. (o. J.). Universitätsklinikum Heidelberg. Abgerufen von https://www.klinikum.uni-heidelberg.de/chirurgische-klinik-zentrum/urologische-klinik/nicht-hauptmenu/krankheitsbilder
  12. Niederstadt, C., Gaber, E., & Füsgen, I. (2007). Harninkontinenz. Robert Koch-Institut. S. 11.

 

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